Ungeregelter Fall

Sven Meier
Fahrlehrer und Präsident
der Verkehrsschule Zug
Ein SchlauMeier – wer kennt ihn nicht? Ein SchlauMeier ist aber keineswegs nur ein Besserwisser, sondern ein Mensch, der mit durchdachten Beiträgen sowie verständlichen Erklärungen überzeugt und so sein Umfeld bereichert.
Genau dies ist die Absicht von Sven Meier, Fahrlehrer und Präsident der Verkehrsschule Zug, in dieser vielseitigen Rubrik
Eine harmlose Kreuzung, irgendwo in der Schweiz. Keine Ampel, kein Stopp-Schild, keine Markierung – nur eine Kreuzung, drei Autos und eine grosse Portion Verwirrung. Wer fährt denn nun?
Willkommen im „ungeregelten Fall“ des Strassenverkehrs! Das ist jener Moment, in dem man sich fragt: „Wer darf jetzt eigentlich fahren?“ und „Muss ich jetzt wirklich dem zuwinken, der mir vorhin den Parkplatz weggeschnappt hat?“
Die Ausgangslage
Ein „ungeregelter Fall“ tritt auf, wenn sich Fahrzeuge auf einer Kreuzung begegnen, bei der keine Verkehrszeichen oder Markierungen regeln, wer Vortritt hat. Also: kein Stopp, kein Vortritt-Signal, keine Bodenmarkierungen – nur die heilige Regel des Rechtsvortritts. Klingt einfach?
Nehmen wir ein klassisches Beispiel mit drei Fahrzeugen: Ein weisses, ein rotes und ein blaues Fahrzeug treffen sich an einer solchen Kreuzung. Das weisse Auto möchte links abbiegen, das rote steht im Gegenüber, das blaue ist links vom weissen (siehe Bild). Und nun beginnt der Reigen:
- Der Lenker im weissen Fahrzeug denkt: „Ich habe zwar niemanden von rechts, aber ich will links abbiegen, also Gegenverkehr beachten – das rote Auto.“
- Die Lenkerin im roten Fahrzeug denkt: „Ich habe das blaue Fahrzeug rechts von mir – ich darf nicht.“
- Der Lenker im blauen Fahrzeug denkt: „Ich habe das weisse Fahrzeug rechts von mir – ich darf auch nicht.“
Die Herleitung der Lösung
Und jetzt? Jetzt kommt die hohe Kunst der «Verständigung mit Handzeichen». Also nicht wildes Fuchteln oder nervöses Kopfnicken, sondern das freundliche, aber bestimmte Winken: „Du darfst.“ Aber wem?
Wenn Sie im weissen Auto sitzen, lautet die Antwort: Dem blauen Fahrzeug. Auch wenn Ihnen das rote Auto sympathischer erscheint oder Sie den Fahrer vom Quartiergrill kennen – es hilft nichts. Der Grund liegt im Rechtsvortritt: Wenn Sie dem roten Auto den Vortritt gewähren, kann es trotzdem nicht fahren, weil ihm das blaue Auto rechts ist. Nur wenn Sie dem blauen Auto das Zeichen geben, löst sich der Knoten auf. Das blaue fährt, dann das rote, und dann – endlich – Sie selbst.
So einfach. Oder eben nicht. Denn nicht jeder Verkehrsteilnehmer hat diesen News Bericht gelesen (obwohl das natürlich jeder tun sollte). Und nicht jeder weiss, dass man in solchen Situationen ruhig mal das Denken für andere mitübernehmen muss.
Mein Fazit
Deshalb mein Appell an alle: Augen auf, Hand bereit und Geduld mitbringen! Und wenn jemand ein bisschen zu früh losfährt oder ein bisschen zu lange wartet, dann einfach lächeln, winken und weiterfahren. Mit einem Hauch Freundlichkeit wird selbst ein ungeregelter Fall zur kleinen Symphonie der Teamarbeit.